Verschwiegener Mangel bei fehlender Sichtprüfung?
In einem Verfahren letzten Jahres hat ein Käufer einen gewerblichen Verkäufer, dessen Mitarbeiterin und den Sachverständigen, welche für den Verkäufer Fahrzeugbewertungen anfertigt verklagt, weil der Käufer einen unsauber reparierten Schaden am Unterboden festgestellt hat. Der Verkäufer hat diesen beim Verkauf mangels Sichtprüfung auf einer Hebebühne nicht im Kaufvertrag angegeben.
Ein gewerblicher Kraftfahrzeughändler ist jedoch verpflichtet, vor dem Verkauf eines Gebrauchtwagens zumindest eine Sichtprüfung durchzuführen, um mögliche Unfallspuren zu erkennen. Zur Sichtprüfung gehört ein Blick auf die Unterseite des Fahrzeugs, das zu diesem Zweck auf eine Hebebühne genommen werden muss. So entschied am 20.05.2020 das Oberlandesgericht Karlsruhe.
Einem gewerblichen Kraftfahrzeughändler, der dem Kaufinteressenten das Unterbleiben einer Sichtprüfung verschweigt, sei in der Regel Arglist vorzuwerfen, wenn ein mangelhaft reparierter Unfallschaden bei einem Blick auf die Unterseite des Fahrzeugs sofort erkennbar gewesen wäre. Die von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die Sichtprüfung beim Verkauf eines Gebrauchtwagens gelten für den gewerblichen Kraftfahrzeughändler auch bei einem Agenturgeschäft, wenn er das Fahrzeug nicht im eigenen Namen, sondern im Namen einer privaten Verkäuferin veräußert. Beim Unterbleiben der Sichtprüfung kommt eine Eigenhaftung des Kraftfahrzeughändlers gemäß § 311 Abs. 3 BGB in Betracht.
Bedient sich eine private Verkäuferin beim Verkauf eines Gebrauchtwagens der professionellen Hilfe eines Kraftfahrzeughändlers, hat sie für dessen Verschulden gegenüber dem Käufer gemäß § 278 BGB einzustehen. Für die Beurteilung des Verschuldens und für die Frage der Arglist sind in diesem Fall auch im Verhältnis zur Verkäuferin die Anforderungen maßgeblich, die üblicherweise für den gewerblichen Kraftfahrzeughändler gelten.
Oberlandesgericht Karlsruhe: Beschluss vom 20.05.2020 – 9 W 10/20