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Anwaltskosten bei Unfall mit einem Leasingfahrzeug

20.01.2020 Patrick Plückthun 6 Minuten

Die Versicherer wenden immer wieder ein, dass Firmen, die eine eigene Flotte unterhalten, keinen Anspruch auf Rechtsanwaltskosten hätten, da diese Firmen einen eigenen Fuhrparkmanager hätten bzw. eine eigene Rechtsabteilung, die einen Unfallschaden nebenzu regulieren könnten. Während man diese Aussage wohl noch vor 10 Jahren hätte bestätigen können, zeigen die aktuellen Zahlen eingegangener Klagen wegen Ansprüchen aus Verkehrsunfällen, dass dies schon lange nicht mehr gilt. Unser neuer Kollege Herr Rechtsanwalt Mario Amegnaglo hat ein neues BGH Urteil zum Anlass genommen, die Thematik im nachfolgenden Aufsatz aufzuarbeiten.

 

Leasing- und Flottenfahrzeuge

Während es früher undenkbar war, sich ein Fahrzeug „auf Pump“ anzuschaffen, ist es heutzutage absolut gängige Praxis. Eine Vielzahl an Fahrzeugen wird täglich finanziert oder geleast. Die Generation unserer Eltern und/oder Großeltern hat es noch vorgezogen, so lange zu sparen, bis das gewünschte Fahrzeug geleistet werden konnte. Diese Ansicht hat sich heute stark gewandelt. Natürlich ist es für jeden wünschenswert, ein schönes Neues Auto zu fahren. Aber nicht jeder kann sich ein schönes neues Auto leisten. Als bequeme Lösung bieten sich das Leasing und die Finanzierung an. Aus diesem Grund ist der Marktanteil von Leasing- und Finanzierungsgeschäften bei der Neuzulassung von Kraftfahrzeugen im privaten Sektor in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Mittlerweile hat sich der Anteil geleaster Fahrzeuge bei Neuzulassungen bei ca. 40 % eingependelt. Das geht aus einer Statistik des Bundesverbands Deutscher Leasingunternehmen für das Jahr 2018 hervor. Dieser Marktanteil bedeutet, dass ca. 1,6 Millionen (!) Neuzulassungen im Jahr 2018 geleast waren. Dadurch erhöht sich natürlich auch die Anzahl geleasten Fahrzeuge, die potenziell in einem Verkehrsunfall beschädigt werden können. Das wiederum führt zu einer zentralen Frage:

Sind außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren für die Regulierung eines Verkehrsunfalls bei Beteiligung eines geleasten Fahrzeugs erstattungsfähig?

Um diese Frage beantworten zu können, muss zunächst differenziert werden. Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, ob der eingeschaltete Rechtsanwalt den privaten oder geschäftlichen Leasingnehmer, eine Leasinggesellschaft mit eigener Rechtsabteilung oder eine Leasinggesellschaft ohne eigene Rechtsabteilung vertritt.

1. Privater Leasingnehmer

Der Leasingnehmer ist üblicherweise aufgrund der Regelungen in den Allgemeinen Leasingbedingungen berechtigt und verpflichtet, alle fahrzeugbezogenen Ansprüche bei Beschädigung im eigenen Namen geltend zu machen und durchzusetzen. Bei der Vertretung des privaten Leasingnehmers ist die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren üblicherweise unproblematisch. In den allermeisten Fällen ist der privater Leasingnehmer ein Laie auf dem Gebiet der Regulierung und Verkehrsunfallschäden.

2. Gewerbliche Leasingnehmer

Bei einem gewerblichen Leasingnehmer mit einer nicht unerheblichen Anzahl von Fahrzeugen im Fuhrpark ist die Durchsetzung außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren etwas problematischer. Die Versicherer stellen sich üblicherweise auf den Standpunkt, dass gewerbliche Leasingnehmer mit großen Fuhrparks aufgrund der (geschätzten) Vielzahl von Schäden, die diese mit Ihren Fahrzeugen erleben oder gar teilweise selbst regulieren, über die Erfahrung verfügen, einen Verkehrsunfall ist selbstständig regulieren zu können. Die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts wird bestritten. Diese Praxis ist – nach der hier vertretenen Ansicht – eine unangemessene Benachteiligung von gewerblichen Leasingnehmern.

Im Einzelnen berufen sich Vermittler zumeist auf das Urteil des BGH vom 08.11.1994, Az.: VI ZR 3/94. Aus diesem Urteil wollen die Versicherer herausgelesen haben, dass ein kaufmännisch geführtes Unternehmen kein Anspruch auf die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren bei der Regulierung eines Verkehrsunfalls haben sollen.Bei näherer Betrachtung des oben genannten Urteils ist allerdings erkennbar, dass diese Beurteilung der Versicherer nicht zutreffen kann. Denn in diesem Urteil betont der BGH ausdrücklich, dass grundsätzlich jeder Geschädigte – unabhängig davon ob es sich um eine Privatperson, eine Firma oder sogar eine Behörde handelt – Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren hat.

Wo es einen Grundsatz gibt, gibt es natürlich auch eine Ausnahme. Nach den Ausführungen des BGH ist der Grundsatz der Erstattungsfähigkeit dann nicht gegeben, wenn es sich aus ex-ante-Sicht des Geschädigten um einen „einfach gelagerten Fall“ handelt und der Geschädigte intellektuell in der Lage ist, die Kommunikation im Rahmen der Schadensregulierung mit dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung zu führen. Damit einem Geschädigten also kein Anspruch auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren im Rahmen der Schadensregulierung zusteht, müsste dieser von vornherein – also vor bzw. bei der Beauftragung des Rechtsanwalts – erkannt haben, dass der Geschädigte oder dessen Versicherer die Haftung vollumfänglich anerkennen wird, und der Schaden wie beziffert – ohne Erforderlichkeit der Nachforderung einzelner Positionen – ausgeglichen wird. Der Geschädigte muss sich zweifelsfrei sicher sein, dass er nicht mit Einwendungen des Schädigers oder dessen Haftpflichtversicherung – im Grunde und der Höhe nach – zu rechnen hat. Nur dann liegt ein „einfach gelagerter Fall“ vor. Bei dem derzeitigen Regulierungsverhalten der Kfz-Haftpflichtversicherer ist es mehr als nur zweifelhaft, ob ein solcher „einfach gelagerter Fall“ überhaupt noch existiert.

Mit diesem Thema hat sich der Bundesgerichtshof unlängst in seinem Urteil vom 29.10.2019, Az.: VI ZR 45/19. auseinandergesetzt und die obigen Ausführungen bestätigt. Dem Urteil lag ein Kfz-Haftpflichtschaden an einem Fahrzeug aus einer großen Flotte zugrunde. Der Bundesgerichtshof führt dabei wörtlich aus:

„(…) Dabei wird zu Recht darauf abgestellt, dass bei einem Fahrzeugschaden die rechtliche Beurteilung nahezu jeder Schadensposition in Rechtsprechung und Lehre seit Jahren intensiv und kontrovers diskutiert wird, die umfangreiche, vielschichtige und teilweise uneinheitliche Rechtsprechung hierzu nach wie vor fortentwickelt wird und dementsprechend zwischen den Geschädigten und den in der Regel hoch spezialisierten Rechtsabteilungen der Haftpflichtversicherer nicht selten um einzelne Beträge – wie auch vorliegend – bis in die letzte Gerichtsinstanz gestritten wird.(…) Es ist schon mit Blick auf die – von der Beklagten dann tatsächlich angegriffene Abrechnung der fiktiven Reparaturkosten, aber zum Beispiel auch auf die Position der Sachverständigenkosten, deren Ersatzfähigkeit dem Umfang nach gerichtsbekannt häufig höchst umstritten ist, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht von einem nicht einfach gelagerten Fall ausgegangen ist. Dann aber durfte nach den oben dargelegten Grundsätzen auch die Klägerin als großes Mietwagenunternehmen ungeachtet ihrer Geschäftsgewandtheit die Einschaltung eines Rechtsanwalts bereits für die erstmalige Geltendmachung ihres Schadensersatzanspruchs für erforderlich halten. Sie musste insbesondere mit der Beauftragung nicht erst einmal abwarten, wie der Haftpflichtversicherer auf die Geltendmachung des Anspruchs reagiert. (…)“

Der Bundesgerichtshof nimm als Quintessenz (völlig zu Recht) an, dass die Verkehrsunfallregulierung derart kompliziert geworden ist, dass selbst erfahrene Flotteninhaber nicht mehr allein zurechtkommen können. Somit können auch gewerbliche Leasingnehmer mit großen flotten, Autovermietungen etc. einen Rechtsanwalt für die Regulierung von Verkehrsunfallschäden in Anspruch nehmen. Die entstandenen Kosten können dann im Rahmen des Schadensersatzes ersetzt verlangt werden. Es bleibt natürlich (theoretisch) möglich, dass ein Schädiger bzw. dessen hat die Versicherung den Verkehrsunfall reguliert und keinerlei Einwendungen zum Haftungsgrund oder der Schadenshöhe erhebt. Allerdings kann es sich nur dann um einen „einfach gelagerten Fall“ handeln, wenn der Geschädigte dies von Anfang an (ex ante) hätte erkennen können. Bei dem derzeitigen Regulierungsverhalten der Versicherer ist das jedoch schwer vorstellbar.

Gewerblicher Leasingnehmer mit Rechtsabteilung

Es kommt auch vor, dass gewerbliche Leasingnehmer über eigene Rechtsabteilung verfügen. In diesen Fällen ist natürlich fraglich, ob auch hier ein Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren gegeben ist. Nach der hier vertretenen Ansicht ist – entsprechend den oben genannten Grundsätzen des Bundesgerichtshofs – auch hier grundsätzlich ein Erstattungsanspruch gegeben. Denn die Rechtsabteilungen sind üblicherweise mit anderen Rechtsgebieten betraut, als der Regulierung von Verkehrsunfallschäden. Solange und soweit keine gesonderte Abteilung für die Regulierung von Verkehrsunfallschäden besteht, haben auch gewerbliche Leasingnehmer mit eigener Rechtsabteilung Anspruch auf Ersatz dieser Kosten. Denn wenn schon davon auszugehen, dass Flottenprofis berechtigt sind einen Rechtsanwalt für die Schadensregulierung einzuschalten, ist es recht davon auszugehen, dass Firmen mit eigener Rechtsabteilung nicht üblicherweise mit der Abwicklung von Verkehrsunfällen betraut ist, Unterstützung bei der Regulierung von Unfallschäden braucht.

Ausblick

Spätestens seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29.10.2019, Az.: VI ZR 45/19 dürfte klar sein, dass Leasingnehmer – einschließlich gewerblicher Leasingnehmer – berechtigt sind, einen Rechtsanwalt für die Regulierung eines Verkehrsunfallschadens zu beauftragen. Die Kosten können im Rahmen des Schadensersatzanspruches vom Schädiger bzw. dessen Pflichtversicherungsgesetz verlangt werden. Mehr zum Thema Unfallregulierung

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